Feurig wie Curry

Worte über die Liebe

Eigentlich wollte ich die Live-Übertragung der königlichen Hochzeit auslassen: zu viele andere To-dos. Dann habe ich irgendwann doch kurz reingezappt – exakt zum richtigen Zeitpunkt. Leidenschaftlich gestikulierend sprach ein afroamerikanischer Geistlicher über die Liebe, mit so viel Inbrunst und Feuer, dass ich Augen und Ohren nicht traute. Das passte so gar nicht zu meinen Erwartungen – und traf sie zugleich genau. Mit den steif wirkenden Predigten anderer Royal Weddings hatte das nicht viel zu tun. Der US-Bischof Michael Curry lobpreiste die Liebe mit der ihr innewohnenden Kraft und sprach Worte, die ihr Publikum erreichten. Seine Art zu akzentuieren hatte etwas von der ansteckenden Energie des afroamerikanischen Gospels. Curry legte seine ganze Persönlichkeit in die Predigt hinein – und der Funke sprang über. Seine Worte kamen aus tiefstem Herzen und waren wie er: authentisch und quicklebendig.

In einem Artikel der Süddeutschen Zeitung las ich, dass Curry vor der Zeremonie nach dem Stil seiner Predigt gefragt wurde. O-Ton: „Ich werde nie vergessen, was mein Vater mir sagte, als ich gerade frischgebackener Priester war: ‚Sei immer der, der du wirklich bist. Versuche nicht, jemand anderes zu sein.‘“ Ein Rat, der sich bewährt hat. Der 65-Jährige Bischof von Chicago ist gleichzeitig Oberhaupt der Episkopalkirche der USA. In Zeiten, in denen US-Präsident Trump einen mit jedem Wort vom Glauben abfallen lässt, braucht es Hoffnungsträger wie Curry. Lichtgestalten, die uns deutlich machen, worauf es in diesem Leben ankommt. Mit einem Zitat von Dr. Martin Luther King machte der Bischof es bereits am Anfang seiner Rede klar: „Wir müssen die Kraft der Liebe entdecken. Wenn wir das tun, dann sind wir in der Lage, aus dieser alten Welt eine neue zu machen. Liebe ist der einzige Weg.“