Wolkenkuckucksheim

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Es gibt Worte, denen begegnet man nur selten, obwohl sie jede Menge Charisma besitzen. Die Liste ist lang. Manche von ihnen sind veraltet, andere werden aus unerfindlichen Gründen nicht mehr verwendet – Sprache verändert sich. Als Texter kann man sie nur schwer unterbringen, so gerne man ihr Verschwinden auch verhindern möchte. „Wolkenkuckucksheim“ ist so ein Wort. Es erzeugt Freiluftkino im Kopf und kitzelt die Imagination – doch leider wird es meist diffamierend benutzt.

In der Komödie „Die Vögel“ von Aristophanes bezeichnet der Begriff eine Stadt in den Wolken, die sich Vögel als Zwischenreich gebaut haben. Arthur Schopenhauer erweiterte die Wortbedeutung in seinem Werk „Die Welt als Wille und Vorstellung“, in dem er anderen Philosophen vorwarf, nur vom Wolkenkuckucksheim zu reden.

Inzwischen gebrauchen wir das Wort als Synonym für Hirngespinst oder Luftschloss – sofern wir es überhaupt verwenden. Denn von Luftschlössern zu sprechen, ist nicht besonders populär. Wer im Wolkenkuckucksheim lebt oder Luftschlösser baut, der lässt Bodenhaftung vermissen, ist ein naiver Optimist oder schlimmstenfalls ein Exzentriker.

In unserer Leistungsgesellschaft bezeichnen wir erfolgreiche Menschen gerne als Visionäre, vor allem dann, wenn sie hohe Gewinne erzielen. Dabei vergessen wir nur allzu leicht, dass viele fruchtbare Visionen zunächst als Hirngespinst abgetan wurden. Am Anfang des Erfolgs steht immer die Idee: ein kreativer Kuckuck im Kopf, der sich aufschwingt in luftige Höhen, um über den Tellerrand zu schauen. Und je höher er steigt, desto weiter reicht sein Blick …